Kunstaffin bin ich schon immer, ich habe mit 16 angefangen, Grafitti zu machen. Leider haben die Ergebnisse nicht immer meiner Vorstellung entsprochen. In meiner Ausbildung als gestaltungstechnischer Assistent war ich dann gar nicht kreativ, aber die Idee von Grafitti fand ich immer noch interessant: Diesen städtischen Unorten etwas entgegenzusetzen, die Rückeroberung des öffentlichen Raums. Also habe ich für meine Street Art angefangen, das zu verbinden mit dem, was ich in der Werbeindustrie gelernt habe. Tatsächlich bedient sich die Werbung ähnlicher Techniken wie Street Art – Bilder in verständliche, einfache Motive zu verpacken. Auch im öffentlichen Raum ist es wichtig, dass man schnell begreift, worum es geht. Jedes meiner Bilder hat einen politischen Impuls, will dem Grau etwas entgegensetzen und bestenfalls Leute zum Nachdenken bringen oder ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.


Ich mache das seit 12 Jahren, und dass ich davon leben kann, ist langsam gewachsen. Die letzten Jahre vor Corona habe ich beim Fernsehen gearbeitet, und da werden die Arbeitsbedingungen leider nicht besser. Also habe ich mir nebenher diese Freiberuflichkeit aufgebaut und irgendwann gemerkt, dass ich davon leben kann. Der Moment kam vor einem Jahr. Corona hat mir glücklicherweise nicht geschadet, vielleicht saßen die Leute zuhause und haben an die Wand gestarrt und gedacht, dass sich ein Bild gut an dieser Wand machen würde. Durch die aktuelle Situation kommen natürlich neue Schwierigkeiten auf mich zu – aber ich bin zuversichtlich.

Den Laden hab ich jetzt seit einem Jahr und mir damit einen Lebenstraum erfüllt. Das ist ein Raum, mit dem ich machen kann, was ich will, ohne Absprachen treffen zu müssen. Er trägt sich, das ist für mich wichtig, die ganze Freiheit muss ja auch das normale Leben finanzieren. So ergänzt er sich mit den anderen Galerien, mit denen ich zusammenarbeite.
Zu Anfang der Coronazeit gab es ja kaum Kultur zu konsumieren, stattdessen waren die Leute spazieren. Ich habe also das erste Mal ganz bewusst meine Street Art entlang einer Route durchs Veedel positioniert und eine Karte gemacht, an der man sich orientieren kann. Die hat mittlerweile eine halbe Million Downloads, das ist schon verrückt. Die Idee dabei war, den Leuten wieder Kunst, aber auch das Veedel zu zeigen. Denn viele kommen ja gar nicht einfach so nach Mülheim.


Ich selbst mag den Stadtteil sehr. Die Menschen, die hier leben, sind so vielseitig, das muss definitiv so bleiben. Seit 15 Jahren wird gesagt, jetzt kommt die Gentrifizierung. Bisher dauert es zum Glück, aber es verändern sich hier schon Sachen. Es gibt Möglichkeiten, die hätte ich hier vor ein paar Jahren noch nicht gesehen. Ich hoffe, diese positive Entwicklung kippt nicht so bald. Wir alle haben erlebt, wie Ehrenfeld kulturell zugrunde gegangen ist. Wenn wir nicht wollen, dass das mit Mülheim auch passiert, dann kann jeder was dagegen tun. Es ist immer leicht, eine Entwicklung aus dem Sessel heraus zu kritisieren. Aber man kann das ja mitbestimmen, indem man sich engagiert, mit anpackt und das Veedel mitgestaltet. Dass ich hier mit meiner Kunst auf der Straße unterwegs bin, ist mein kleiner Teil, den ich dazu beitrage.
